Geschichte

Die Geschichte Südtirols und ihre prägenden Momente

10 000 b.C.

Die letzte Eiszeit ist abgeklungen. Aus dieser Zeit lassen sich die ältesten menschlichen Spuren im mittleren Alpenraum nachweisen. Das belegen zahlreiche Fundstücke an verschiedenen Rastplätzen nomadisierender Steinzeitjäger (an mehreren Orten in unserem Lande).

5 000 b.C.

Aus dieser Zeit sind die ältesten Spuren von Ackerbau und Viehzucht bekannt. Sie beweisen die Anfänge der Sesshaftigkeit.

3 200 b.C.

Ungefähr auf diese Zeit wird das Leben des „Mannes aus dem Eis“ („Ötzi“) datiert. Die Gletscherleiche ist im Spätsommer 1991 am Hauslabjoch (Ötztaler Alpen) aufgefunden worden. Sie wird im Bozner Archäologiemuseum aufbewahrt.

500 b.C.

Keramik- und Bronzefunde zeigen die Ausweitung der so genannten Laugener Kultur an. Die Menschen dieser Kultur südlich und nördlich des Alpenhauptkammes werden von den Römern als die Räter bezeichnet.

15 n.C.

Drusus und Tiberius, die beiden Stiefsöhne des Kaisers Augustus, stoßen nach Norden vor. Drusus erobert Teile unseres Landes. Es kommt zur Errichtung der römischen Provinzen Rätien und Noricum.

51 n.C.

Kaiser Claudius ist der Imperator des Römerreiches. Nach ihm ist die in dieser Zeit errichtete Römerstraße, die Via Claudia Augusta, benannt. Sie verläuft von Ostiglia am Po nach Norden durch das Etschtal über den Reschen bis nach Augsburg, dem Hauptort der römischen Provinz Rätien. In unserem Land verzweigt sich diese Römerstraße; eine Trasse führt durch das Eisack- und Pustertal ostwärts.

400 n.C.

Vigilius ist Bischof von Trient. Er treibt die Christianisierung voran, die etwa im vierten Jahrhundert eingesetzt und den römischen Götterglauben, aber auch andere Kulte (teils aus dem Osten, wie Mitras- und Isiskult) zu verdrängen begonnen hat.

500 n.C.

Nach dem Zusammenbruch des Weströmischen Reiches gerät unser Land in den Herrschaftsbereich der Ostgoten unter Theoderich. In der zweiten Hälfte des sechsten Jahrhunderts dringen im Zuge der Völkerwanderung von Süden die Langobarden, von Westen die Franken, von Norden die Bajuwaren und von Osten die Slawen vor. Die einheimische Bevölkerung geht entweder nach und nach in den eingedrungenen Germanenstämmen auf oder kann sich in einigen Tälern mit ihrer rätoromanischen Sprache halten.

788 n.C.

Der gesamte Raum des späteren Landes Tirol gehört zum Herrschaftsbereich der Franken, nachdem Karl der Große die Langobarden (774) unterworfen und den Sonderbestrebungen der Baiern (778) Einhalt geboten hat.

1 004

In den Jahren 1004 und 1027 werden die Bischöfe von Trient und Brixen von den Kaisern belehnt. Der Bischof von Trient erhält als Lehen Trient, die Grafschaft Bozen und den Vinschgau, der Bischof von Brixen das Eisacktal, das Pustertal und das Inntal. Sie werden zu Fürstbischöfen mit weltlichem Territorium. Zur Ausübung der weltlichen Grafengewalt, der Verwaltung und als Vögte werden die Grafen von Morit-Greifenstein, jene von Eppan, die Andechser und die Tiroler Grafen eingesetzt. Den Grafen von Tirol gelingt es nach und nach in beiden fürstbischöflichen Territorien die Oberhand zu bekommen.

1 253

Graf Albert III. von Tirol stirbt ohne männliche Erben. Sein Erbe wird unter seinen beiden Schwiegersöhnen geteilt. Dadurch erlangen die Grafen von Görz Einfluss an Etsch, Eisack und im Pustertal.

1 295

Graf Meinhard II. von Tirol-Görz stirbt und hinterlässt ein territorial einheitliches und ausgebautes Land Tirol. Ihm ist es gelungen, die Macht der Bischöfe einzuschränken und Gebiete durch Kauf und Waffengewalt zu erwerben. Dieser unternehmungsfreudige Graf und kluge Taktiker wird gerne als der „Schöpfer Tirols“ bezeichnet.

1 363

Gräfin Margaretha übergibt nach dem Tod ihres einzigen Sohnes das Land Tirol mit Zustimmung der Landstände an Rudolf IV. von Habsburg, Herzog von Österreich. Von nun an ist Tirol mit Habsburg verbunden.

1 511

Kaiser Maximilian erlässt für Tirol das Landlibell. Dieses ist die Grundlage für die dauerhafte militärische Sonderstellung Tirols. Es regelt die Landesverteidigung so, dass die Tiroler Landestruppen nur zur Verteidigung des eigenen Landes herangezogen werden. Daraus erwächst die Tradition des Schützenwesens.

1 525

Die in Süddeutschland aufgeflammten Bauernkriege erfassen auch Tirol. Zum Anführer der Tiroler Aufstände wird Michael Gaismair. In seiner „Landesordnung“ strebt er einen auf den christlichen Glauben und den Nutzen der Allgemeinheit gestützten, einheitlichen Staat Tirol an, in dem es keine Vorrechte für Adel und Geistlichkeit geben soll. Das ist für damalige Vorstellungen eine Utopie. Die Bauern stürmen und plündern Klöster, Pfarrhäuser und Burgen, werden schließlich aber besiegt und bestraft. Gaismair flieht in die Schweiz und gelangt als Söldnerführer in die Republik Venedig, wo er 1532 ermordet wird

1 536

Die Täuferbewegung findet in verschiedenen Orten Tirols Anhänger. Nach ihrer Glaubensüberzeugung sollen Erwachsene die Taufe aus eigener Entscheidung heraus empfangen. Auch lehnen sie Obrigkeit, Kriegsdienst, Eidesleistung und Privateigentum ab. Sie werden verfolgt und viele von ihnen hingerichtet. So auch der bekannteste Tiroler Täufer Jakob Huter aus St. Lorenzen im Pustertal. Ihn ereilt das Schicksal 1536 in Innsbruck. Seine Anhänger müssen mehrfach Gebiete verlassen. Zunächst halten sie sich in Mähren auf, müssen dann weiterziehen nach Siebenbürgen und später nach Südrussland. Im 19. Jahrhundert kommen sie nach Nordamerika, wo es heute noch in den USA und in Kanada Gemeinschaften der Huterischen Brüder gibt.

1545

Im Zuge der katholischen Gegenreformation findet ein Konzil in Trient statt. Es wird 1545 einberufen und dauert mit Unterbrechungen bis 1563. Für die katholische Kirche werden dabei wichtige Richtlinien festgelegt, die bis ins 20. Jahrhundert aufrecht bleiben. Trient erlebt in dieser Zeit unter Fürstbischof Christoph von Madruzzo eine wirtschaftliche, kulturelle und künstlerische Blütezeit.

1635

Die Landesfürstin Claudia von Medici, Witwe Erzherzog Leopolds, verleiht den Bozner Messen ein Privileg. Die Messen werden mit einem eigenen Merkantilmagistrat ausgestattet. Das ist ein Sondergericht in Handels- und Wechselsachen. Der Merkantilmagistrat überwacht die Messestatuten, die auch eine Wechselordnung nach dem vorbildlichen italienischen Wechselrecht beinhalten. Er erfüllt in Bozen, dem damals wichtigsten Warenumschlagplatz im deutsch-italienischen Handel, eine bedeutende Aufgabe. Die Landesfürstin Claudia von Medici fördert außer den Handel auch Kultur und Künste.

1665

Nach dem Aussterben der jüngeren Tiroler Linie der Habsburger (Erzherzog Ferdinand Karl stirbt 1662 und sein Bruder Sigismund Franz 1665) wird Tirol von Wien aus verwaltet. Kaiser Leopold I. nimmt noch im Herbst 1665 in Innsbruck die Erbhuldigung entgegen. Nach und nach verliert Tirol an Privilegien und Selbständigkeit. Innsbruck ist nicht mehr Regierungssitz, und auch die Tiroler Landstände verlieren an Bedeutung.

1740

Es beginnt die lange Regierungszeit der Herrscherin Maria Theresia. Während der Herrschaftszeit Maria Theresias und ihres Sohnes Josef II. erfolgen grundlegende Reformen (z. B. bezüglich der Verwaltung und des Zollwesens). Die allgemeine Schulpflicht wird 1774 eingeführt. Adelige Steuerprivilegien werden abgeschafft und die Steuern auf Grund und Boden neu aufgeteilt (Einführung des Maria Theresianischen Katasters). Überzogene Reformen unter Kaiser Josef II., wie die Aufhebung von Klöstern und andere Eingriffe ins kirchliche und religiöse Leben, stoßen in Tirol auf heftigen Widerstand.

1796

Truppen der französischen Revolutionsarmeen unter dem General Napoleon Bonaparte dringen in Oberitalien vor, besiegen am 10. Mai 1796 die Österreicher bei Lodi und wollen nach Kärnten und Tirol vorstoßen. In dieser gefahrvollen Lage soll die Tiroler Landesverteidigung aktiviert werden. Vertreter der Tiroler Landstände versammeln sich in Bozen zur Beratung. Dabei verlassen sich die Vertreter des Adels, des Klerus, der Städte und der Landgerichte nicht nur auf die eigene Verteidigungskraft, sondern wollen auch die Hilfe Gottes erflehen. Auf Vorschlag des Abtes von Stams wird am 3. Juni in der Bozner Pfarrkirche ein feierlicher Gottesdienst abgehalten, bei dem man sich dem Herzen Jesu empfiehlt und gelobt, das Herz-Jesu-Fest jährlich feierlich zu begehen. Tatsächlich wird seither alljährlich am Herz-Jesu-Sonntag das Bündnis mit dem Heiligen Herzen Jesu erneuert sowie im ganzen Land die Herz-Jesu-Bundeshymne („Auf zum Schwur“) gesungen.

1809

Das ist das Jahr der Tiroler Freiheitskämpfe. Tirol ist seit 1805 zu dem mit Frankreich verbündeten Königreich Bayern geschlagen. Verhasst sind die Einberufungen zum Militär, die Steuern und die Reformen, welche auch massiv ins religiöse Leben eingreifen. Im Zuge der Kriegserklärung an Frankreich seitens einer Koalition europäischer Mächte kommt es zum Aufstand der Tiroler, die unter der Führung des Passeirer Gastwirtes und Viehhändlers Andreas Hofer um ihre Freiheit kämpfen. Den Tiroler Schützen gelingt es – vor allem in den Bergiselschlachten – Bayern und Franzosen zu schlagen. Die Tiroler wollen den Friedensschluss zwischen Frankreich und Österreich nicht wahr haben und setzen den Widerstand fort, unterliegen aber der Übermacht der Franzosen. Andreas Hofer wird gefangen genommen und in Mantua am 20. Februar 1810 erschossen. Von 1810 bis 1814 ist Tirol aufgeteilt zwischen den Königreichen Bayern und Italien, die beide dem großen napoleonischen Reich angehören.

1814

Nach der napoleonischen Ära gehört Tirol wieder dem Habsburgerreich an. Die Hoffnungen auf die Wiedererlangung der alten Tiroler Freiheiten erlöschen jedoch sofort wieder, nachdem sich zeigt, dass im so genannten Zeitalter der Restauration unter dem Staatskanzler Metternich eine zentralistische, restriktive und bürokratische Herrschaft geführt wird.

1848

Eine in Frankreich aufgeflammte Revolution erfasst verschiedene Länder Europas. Der österreichische Kaiser Ferdinand muss abdanken. Auf ihn folgt der junge Kaiser Franz Josef, der bis in den Ersten Weltkrieg hinein das große Habsburgerreich zusammenzuhalten sucht. Gleichzeitig treten in Welschtirol die ersten separatistischen Tendenzen auf. Sie kommen aus den Kreisen des liberalen Bürgertums.

1864

Die erste ladinische Grammatik, verfasst vom Priester Josef Anton Vian, wird publiziert. Schon aus dem Jahr 1833 gibt es ein Manuskript für eine einheitliche ladinische Grammatik. Dieser Versuch stammt vom Priester Micurá de Rü (Nikolaus Bacher). Nach ihm ist das ladinische Kulturinstitut in St. Martin im Gadertal benannt.

1866

In der Folge des Krieges Österreichs gegen Preußen, zu dem parallel der dritte italienische Befreiungskrieg zur Einigung Italiens geführt wird, verliert Österreich Venetien, nachdem die Lombardei schon 1859 zum Königreich Piemont-Sardinien gekommen ist. Daraus ergibt sich Tirols Lage an den südlichen Grenzen der Monarchie, in deren Inneren die verschiedenen nationalen Bestrebungen immer mehr zunehmen.

1867

Mit dem Bau der Eisenbahnlinie über den Brenner erhält das gesamte Tirol Anschluss an das europäische Eisenbahnnetz. Die Brennerbahn ist für Tirol als wichtiges Durchzugsland von großer Bedeutung. Anschließend werden weitere Eisenbahnstrecken im Lande errichtet: Pustertal (1871), Etschtal von Bozen bis Meran (1881), Überetscher Bahn von Bozen nach Kaltern (1898), Vinschgau (1906). Ein erstes Aufblühen des Alpinismus und des Tourismus bahnt sich an. Vor allem ist es die Kurstadt Meran, die eine Blütezeit erlebt.

1870

Der in Tirol aufgeflammte so genannte Kulturkampf, der seine Anfänge schon vor 1870 hat, dauert bis 1892. In den Auseinandersetzungen geht es darum, dass sich die konservativen Kräfte des Tiroler Landtages gegen die Gesetze zur Schulreform stellen, welche der Reichsrat in Wien erlassen hat. Die Kirche verliert die Landesschulaufsicht. Das Reichsvolksschulgesetz sieht eine interkonfessionelle Schule vor, und die klerikal-konservative Mehrheit im Tiroler Landtag weigert sich, die entsprechenden Durchführungsgesetze zu erlassen. Es kommt zu Notverordnungen im Schulwesen. In gleicher Weise zeigt es sich, dass man zur Erhaltung der Glaubenseinheit in Tirol ein Landesgesetz erlässt, das die Gründung protestantischer Kirchengemeinschaften verbietet. Weil es jedoch im Widerspruch zum Staatsgrundgesetz von 1867 steht, wird das Gesetz aufgehoben und Toleranz gewährt.

1907

In der gesamten Monarchie wird das allgemeine männliche Wahlrecht für den Reichsrat in Wien eingeführt. Neue Parteien sind entstanden. Auch in Tirol haben die Christlich-Sozialen die Christlich-Konservativen überflügelt. Im Trentino sind die „Popolari“, unter deren Spitzenleuten sich Alcide Degasperi befindet, in der Mehrheit. Zu den Minderheiten indes gehören die Tiroler Sozialdemokraten und die Trentiner Sozialisten, welch Letztere von Cesare Battisti angeführt werden.

1910

Eine Volkszählung findet in der ganzen Donaumonarchie statt. Tirol hat damals 947.000 Einwohner. Darunter gibt es 57 Prozent Deutschsprachige, etwas mehr als 40 Prozent Italiener und Ladiner, und der Rest sind andere.

1919

Nach dem Ersten Weltkrieg werden im Friedensvertrag von Saint Germain die Teile Tirols südlich des Brenners dem Königreich Italien zugesprochen. Obwohl König Viktor Emanuel in seiner Thronrede am 1. Dezember 1919 versichert, dass die lokalen Institutionen und die Selbstverwaltung gewahrt werden, erhält Südtirol keine autonomen Rechte.

1922

Gänzlich vorbei ist es mit den Hoffnungen auf eine Autonomie für die Südtiroler, als Benito Mussolini im Oktober 1922 die Macht ergreift. Von den Faschisten wird eine Politik der Italianisierung in Schule, Verwaltung, Toponomastik usw. gegenüber der deutsch- und ladinischsprachigen Minderheit in Südtirol betrieben.

1927

Italienisch ist seit 1925 die alleinige Amtssprache. Italienisch als Unterrichtssprache ist schon seit dem Schuljahr 1923/24 eingeführt und nun wird auch der private Deutschunterricht strengstens verboten. 1926 werden die gewählten Bürgermeister durch italienische, staatliche Amtsbürgermeister, Podestá, ersetzt. 1927 wird die Provinz Bozen errichtet. Damit verfolgt man die Vorantreibung der Italianisierung. Bei dieser Einteilung der Provinzen Bozen und Trient wird das Südtiroler Unterland südlich von Leifers und Tramin zur Provinz Trient geschlagen.

1935

Mit der Errichtung der Industriezone im Süden von Bozen wird begonnen. Diese Maßnahme hat in erster Linie den Zweck der Italianisierung der Hauptstadt Südtirols. Für die großen Industriebetriebe werden zahlreiche Angestellte gebraucht. Hierfür ziehen in den folgenden Jahren Tausende von italienischen Familien nach Bozen, für die ganze Stadtteile erbaut werden.

1939

Nach dem Anschluss Österreichs an das Dritte Reich 1938 versichert Hitler gegenüber Mussolini, die Brennergrenze als unantastbar anzuerkennen. So kommt es im Juni 1939 in Berlin zu einem Umsiedlungsabkommen. Dieses sieht vor, dass sich die Südtiroler bis Jahresende entscheiden sollen, ob sie die deutsche Staatsbürgerschaft annehmen wollen mit der Verpflichtung auszuwandern, oder ob sie die italienische Staatsbürgerschaft behalten wollen, wobei im faschistischen Staat kein Schutz für ihr Volkstum gegeben ist (Option). In Südtirol ist man über das Abkommen empört. Es folgen Monate der Zerrissenheit in der Südtiroler Bevölkerung angesichts des schrecklichen Dilemmas. Massive Propaganda wird betrieben. Eine Mehrheit von „Optanten“ steht schließlich einer Minderheit von „Dableibern“ gegenüber. Etwa 86 Prozent der Südtiroler entscheiden sich für die Auswanderung. Diese beginnt zwar unverzüglich, gerät aber wegen des inzwischen ausgebrochenen Zweiten Weltkrieges ins Stocken und kommt im Lauf der folgenden Jahre praktisch ganz zum Erliegen.

1943

Nach dem Waffenstillstand Italiens mit den Alliierten stoßen deutsche Truppen nach Süden vor. Die Provinzen Bozen, Trient und Belluno werden von den Nationalsozialisten zur so genannten „Operationszone Alpenvorland“ erklärt mit dem Tiroler Gauleiter Franz Hofer als Oberstem Kommissar. Über Südtirol bricht bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs ein besonders dunkles Kapitel der Geschichte herein: Besetzung durch die Nationalsozialisten, Drangsalierung der Dableiber, Sippenhaft für Kriegsverweigerer, Judenverfolgungen, Durchgangslager in Bozen, Bombardierungen…

1946

Die Alliierten bestätigen auf der Pariser Friedenskonferenz die Brennergrenze. Die Westmächte erwirken jedoch den Abschluss eines Schutzvertrages für das erneut dem Staat Italien zugesprochene Südtirol. Das Abkommen, welches als der „Pariser Vertrag“ bekannt ist, wird vom italienischen Ministerpräsidenten Alcide Degasperi und vom österreichischen Außenminister Karl Gruber am 5. September 1946 unterzeichnet. Dieses Abkommen, das Teil des Friedensvertrags Italiens mit den Alliierten ist, stellt die Grundlage unserer Autonomie dar.

1948

Am 31. Januar 1948 erhält die Region Trentino-Südtirol von der verfassunggebenden Nationalversammlung Italiens das erste Autonomiestatut. Die beiden Provinzen Bozen und Trient haben aufgrund dieser Regelung einen gemeinsamen Regionalrat und eine Regionalregierung. Die Südtiroler sehen daher die Autonomie nicht entsprechend dem Pariser Vertrag verwirklicht, zumal die Italiener in der Region die Mehrheit haben. Die Autonomie hätte aber gemäß dem Gruber-Degasperi-Abkommen eigentlich der deutsch- und ladinischsprachigen Minderheit in Italien gewährt werden müssen.

1957

Im Oktober erhält der Bozner Bürgermeister aus Rom die Mitteilung, dass in Bozen ein ganzer Stadtteil mit 5000 Wohnungen erbaut werden soll. Dies bedeutet eine Förderpolitik der Zuwanderung von Italienern. Die Südtiroler Volkspartei sieht keine politischen Möglichkeiten in der Region aufgrund der deutschen Minderheit. So kommt es am 17. November zu einer Massenkundgebung auf Schloss Sigmundkron, bei der der junge Parteiobmann Silvius Magnago vor 35.000 versammelten Südtirolern das „Los von Trient“ und damit eine eigene Autonomie für Südtirol fordert.

1960

Das Südtirolproblem wird im Herbst 1960 auf die Tagesordnung der 15. UNO-Vollversammlung gesetzt. Dies hat Österreich erwirkt, das Italien bezichtigt, den Südtirolern nicht eine Autonomie im Sinne des Pariser Vertrags zu gewähren. Die daraufhin erlassene UNO-Resolution, die im folgenden Jahr erneuert wird, fordert die beiden Staaten Italien und Österreich zu Verhandlungen auf, um zu einer Lösung des Problems und zu einer angemessenen Durchführung des Pariser Vertrags zu gelangen. Sollten sich die Differenzen nicht lösen lassen, könnte auch der Internationale Gerichtshof angerufen werden.

1961

Viele sind mit den politischen Umständen in Südtirol unzufrieden. In gewissen Kreisen ist man bereit, mit Gewalt auf die Lage aufmerksam zu machen. Daher kommt es im Juni zu Sprengstoffanschlägen. In der Herz-Jesu-Nacht, der so genannten „Feuernacht“, werden nahezu vier Dutzend Hochspannungsmasten gesprengt. Man will die Industrie in Norditalien durch das Abschneiden der Stromzulieferung schädigen. Internationales Aufsehen ist damit erreicht. Es folgen von staatlicher Seite harte Maßnahmen und viele Verhaftungen. Herrscht bei den Anschlägen von 1961 noch die Absicht vor, Menschenleben zu schonen, so kommen bei späteren Attentaten, hinter denen Extremisten aus dem Ausland stehen, Menschen ums Leben, vor allem Angehörige der Ordnungskräfte.

1964

Die Neunzehnerkommission, eingesetzt die Südtirolfrage zu studieren und der Regierung in Rom Lösungsvorschläge vorzulegen, schließt ihre Arbeit mit einem Bericht ab. Es braucht aber noch eine Reihe von Verhandlungen, bis im November 1969 ein „Paket“ von 137 Maßnahmen zum besseren Schutz der Südtiroler zustande kommt.
Die Diözese Bozen-Brixen: Im selben Jahr 1964 kommt es auf kirchlicher Ebene zu einer Änderung der Diözesangrenzen. Der bisherige deutsche Anteil der Diözese Trient wird von derselben abgetrennt. Das gesamte Gebiet von Südtirol wird zur Diözese Bozen-Brixen erhoben, deren erster Bischof Joseph Gargitter ist.

1972

Im November 1969 ist das „Paket“ bei der außerordentlichen Vollversammlung der Südtiroler Volkspartei in Meran samt Operationskalender angenommen worden. Am 20. Januar 1972 tritt das im Paket in Aussicht gestellte zweite Autonomiestatut in Kraft. Die Region Trentino-Südtirol wird beibehalten, doch erhält die Provinz Bozen umfassende autonome Rechte. Für die Zuständigkeiten des Landes müssen Durchführungsbestimmungen erlassen werden. Diese erarbeitet eine Zwölferkommission, wenn es sich um Befugnisse der Region handelt und eine Sechserkommission, wenn es solche der Provinz sind.

1974

Schon zu Beginn des Jahres erklärt die römische Regierung nach Erlass von vier wichtigen Durchführungsbestimmungen das Südtirol-Paket als erfüllt. Im Juni erfolgt dann die Abgabe der Streitbeilegungserklärung bei der UNO. Damit ist der formelle Abschluss der Südtirol-Verhandlungen zwischen Italien und Österreich vollzogen. Österreichs Schutzmachtfunktion für Südtirol bleibt weiterhin aufrecht.

1976

  • Von den in den Siebziegerjahren erlassenen wichtigen Durchführungsbestimmungen sind besonders jene aus dem Jahr 1976 über den ethnischen Proporz und die Zweisprachigkeit von besonderer Bedeutung.

1992

Schon zu Beginn des Jahres erklärt die römische Regierung nach Erlass von vier wichtigen Durchführungsbestimmungen das Südtirol-Paket als erfüllt. Im Juni erfolgt dann die Abgabe der Streitbeilegungserklärung bei der UNO. Damit ist der formelle Abschluss der Südtirol-Verhandlungen zwischen Italien und Österreich vollzogen. Österreichs Schutzmachtfunktion für Südtirol bleibt weiterhin aufrecht.

2001

Im Zuge der Verfassungsänderung kommt es zu einer Aufwertung der beiden Provinzen Bozen und Trient gegenüber der Region. Dies ergibt sich aus einer neuen Gewichtung, so dass nicht mehr die Region aus zwei Provinzen besteht mit dem Hauptgewicht bei der Region, sondern dass die beiden autonomen Provinzen die Region bilden. Somit haben die Provinzen nun mehr Bedeutung. In die italienische Verfassung wird erstmals der Begriff „Südtirol“ eingefügt. Auch kommt es zu einer Ausweitung der primären Gesetzgebungsbefugnis des Landes. Für die vom Landtag genehmigten Landesgesetze fällt der römische Sichtvermerk weg. Die Volkszählung im Jahr 2001 ergibt, dass Südtirol fast 461.000 Einwohner hat, wovon sich 69,15 % der deutschen, 26,47 % der italienischen und 4,37 % der ladinischen Sprachgruppe als zugehörig erklärt haben.