01.01.2017

Südtirol vor 1918

von Redaktion Redazione
Südtirol vor 1918

Südtirol liegt inmitten der Alpen, einem massiven Gebirgszug, der eine natürliche Grenze zwischen Mittel- und Südeuropa bildet. Immer schon haben die Menschen nach Möglichkeiten gesucht, diese natürliche Grenze zu überwinden. Wer im Süden lebte, wollte in den Norden und wer im Norden lebte, versuchte, in den Süden zu reisen. So war Südtirol immer schon ein Ort, an dem sich die Einflüsse von Nord uns Süd begegneten.

Frühe Geschichte unseres Landes

Dass die Menschen seit jeher versucht haben, die Alpen zu überqueren, sehen wir am Beispiel von Ötzi, der die Überquerung vor rund 5300 Jahren gewagt hat und dessen sterbliche Überreste man 1991 in den Ötztaler Alpen am Hauslabjoch gefunden hat. Auch in der Zeit der Römer galt Südtirol als ein wichtiges Durchzugs- und Verbindungsland für Händler aus ganz Europa. Zu jener Zeit sprach man jedoch noch nicht von Südtirol, so wie wir es heute kennen.

Unser Land hat sich erst im Laufe der Jahrhunderte herausgebildet und die heutigen Landesgrenzen gibt es in der heutigen Form erst seit 1919. Unsere schöne Landschaft, die Bodenschätze und beispielsweise auch der Wein waren jedoch schon seit jeher besonders bei Menschen und Völkern aus nördlichen Gebieten beliebt. Und daran hat sich bis heute nichts geändert.

Römerzeit und Völkerwanderung

Die frühesten Zeugnisse römischer Einflüsse wurden im Überetsch gefunden. Im Jahre 15 vor Christus eroberten Drusus und Tiberius, die Stiefsöhne von Kaisers Augustus, Gebiete um den Brenner, den Reschen sowie Teile des nördlichen Alpenvorlandes. Tiberius rückte im Westen in das Bodenseegebiet vor, während Drusus weiter östlich durch das Etsch- und Eisacktal über den Brenner in das Inntal und ins Alpenvorland vordrang.

Es dauerte nicht lange bis sich das Königreich Noricum, das sich über das heutige Österreich sowie Teile von Bayern, Südtirol und Slowenien erstreckte, den römischen Eroberern geschlagen geben musste und zur römischen Provinz wurde. Damit gehörten fortan auch das Pustertal und das Gebiet des heutigen Osttirol zum Römerreich. Die unter Kaiser Claudius (41 – 54 n. Chr.) eingeführte Verwaltungsorganisation sah vor, dass der Großteil des späteren Tirols der Provinz Raetia mit der Hauptstadt Augusta Vindelicorum (Augsburg) angehörte.

Die Römer bauten das Straßennetz aus und so entstand unter der Herrschaft des Kaisers Claudius etwa auch die nach ihm benannte Via Claudia Augusta. Einem im Vinschgau gefundenen Meilenstein zufolge wurde diese Römerstraße 46 vor Chr. vollendet. Sie verlief von Ostiglia am Po etschaufwärts über den Reschen und den Fernpass bis nach Augsburg. Entlang der Via Claudia Augusta florierte der Handel, was dazu führte, dass sich dort nach und nach immer mehr Menschen ansiedelten.

Für die Entwicklung unseres Landes in den nachfolgenden Jahrhunderten war die Via Claudia Augusta von ganz entscheidender Bedeutung: Durch den wachsenden Handels- und Reiseverkehr trafen auch viele verschiedene Kulturen und Sprachen aufeinander. Vor allem nach dem Untergang des weströmischen Reiches drangen im Zuge der Völkerwanderung immer wieder neue Völker vor. Das Zusammenleben verschiedener Sprachgruppen und Kulturen war also seit jeher prägend und typisch für Südtirol.

Mittelalter

Um die Jahrtausendwende entstand das Heilige Römische Reich unter der Herrschaft von Kaiser Otto I. Im Zuge der Reichspolitik wurde den Bischöfen von Brixen und Trient die Verwaltung der Tiroler Gebiete übertragen. Die Ausübung weltlicher Macht war aber mit dem Bischofsamt unvereinbar. Daher übergaben die Bischöfe die Grafschaftsgewalt an mächtige weltliche Adelsgeschlechter. So kamen die Grafen von Tirol zu immer mehr Macht.

Nach dem Aussterben der Grafen von Eppan-Ulten und der Herzöge von Andechs-Meranien konnte Graf Albert III. von Tirol das „Land im Gebirge“ großteils in seinem Machtbereich vereinigen. Das war im Jahr 1248, welches daher auch gerne als das Geburtsjahr des Landes Tirol bezeichnet wird. In den Urkunden kommt ab dieser Zeit die Bezeichnung „Herrschaft der Grafen von Tirol“ oder einfach „Grafschaft Tirol“ auf, welche die bis dahin übliche Bezeichnung „Land im Gebirge“ ablöst.

Durch Kauf, Heirat und Waffengewalt baute Graf Meinhard II. von Tirol, der Enkel Graf Alberts III., die Herrschaft im Lande konsequent aus. Er war ein kluger Taktiker mit Weitblick und wird gerne als der „Schöpfer Tirols“ bezeichnet. Seine Enkelin, Gräfin Margaretha (genannt Maultasch), übergab das Land kurz nach dem Tod ihres einzigen Sohnes 1363 an die Habsburger.

Zu Beginn des 14. Jahrhunderts ließ der Bozner Kaufmann Heinrich Kunter eine Straße durch die Eisackschlucht zwischen Bozen und Kollmann errichten, sodass der beschwerliche Umweg über den Ritten wegfiel. Dadurch wurden die Verkehrswege für den Nord-Südverkehr und der damit verbundene Handel weiter aufgewertet.

Im 15. Jahrhundert stand Tirol wirtschaftlich nicht nur wegen des blühenden Durchzugshandels besonders gut da, sondern auch wegen der reichen Erträge aus dem Bergbau. Der Großteil der Bevölkerung lebte in Dörfern, ländlichen Siedlungen und Einzelhöfen. Die Städte und Marktorte waren nur wenig besiedelt. Die soziale Situation der bäuerlichen Bevölkerung verbesserte sich im Lauf des Mittelalters zusehends. So verschwand die Leibeigenschaft praktisch ganz und das Gesetz der freien Erbleihe von 1404 ermöglichte es den Hofinhabern, die Höfe an ihre Nachkommen zu vererben. Auf diese Weise wurde Tirol im Spätmittelalter zu einem Land freier Bauern.

Schon damals hatten die Menschen in Tirol persönliche Rechte und Freiheiten, was für die damalige Zeit sehr fortschrittlich war. Diese Rechte und Freiheiten wurden im Jahr 1342 im „Großen Freiheitsbrief“ verankert. Dieser Freiheitsbrief regelte die Mitsprache bei Steuersachen, Gesetzgebung und Regierung des Landes und war somit eine Art Verfassung für Tirol.

Tirol umfasste damals die Gebiete von der Nordkette der Alpen bis hin zu den Südausläufern am Gardasee. Es war also ein großes Gebiet mit einer Vielfalt an Kulturen und Sprachen. Um 1420 wurde Tirols Landeshauptstadt aus verkehrs- und verwaltungstechnischen Gründen von Meran nach Innsbruck verlegt. 1490 übergab Erzherzog Sigmund (genannt „der Münzreiche“) das Land an seinen nächsten Verwandten Maximilian, den später Kaiser wurde.

Neuzeit

Kaiser Maximilian I. erweitere die Gebiete Tirols. 1511 erließ er eine Wehrordnung, die sogenannte Landlibell, die die Sonderstellung Tirols in Maximilians Herrschaftsbereich untermauerte. Im Wesentlichen legte er fest, dass im Falle eines Konfliktes, bei dem Tirol zum Kampfgebiet würde, der Landesfürst zuvor von den Landständen die Zustimmung einholen müsse und dass die Tiroler Landeswehr nur zur Verteidigung des eigenen Landes verpflichtet sei.

Unzufriedenheit mit der Herrschaft nach Maximilians Tod, soziale und wirtschaftliche Veränderungen, religiöse Unsicherheiten und Einflüsse neuer Glaubenslehren führten im 16. Jahrhundert zu einer Krisenstimmung in Tirol. Missernten und ungünstige Witterung verschärften zusätzlich die Lage. So kam es im Zuge der süddeutschen Bauernkriege auch in Tirol 1525 zum Bauernaufstand. Zum Anführer der Aufständischen wurde bald nach Ausbruch der Unruhen der aus Tschöfs bei Sterzing stammende Michael Gaismair. Die Proteste richteten sich gegen Adel, Kirche und landesfürstliches Beamtentum. Noch im gleichen Jahr wurde der Aufstand niedergeschlagen. Gaismairs Plan, in Tirol eine demokratische, lutherische Bauernrepublik mit der Hauptstadt Brixen zu errichten, wurde damit zunichte gemacht.

Reform und Revolution

Alle bis dahin regierenden Landesfürsten haben den Tirolern stets versichert, dass sie ihre Rechte und Freiheiten behalten können. Unter Kaiserin Maria Theresia wurde Tirol aber enger an die habsburgischen Erbländer und die Monarchie gebunden, sodass die Tiroler ihre Rechte und Freiheiten verloren. Während sie aber ihre Reformen (in Verwaltung, Recht, Wirtschaft und Kultur) mit Umsicht durchsetzte, war ihr Sohn und Nachfolger Joseph II weniger diplomatisch und so stießen seine aufklärerischen Reformen (Eingriffe ins religiöse Leben) in Tirol auf große Ablehnung.

Während der Französischen Revolution und der Herrschaft Napoleons musste Österreich infolge der Niederlage bei Austerlitz 1805 Tirol abtreten. Es wurde daraufhin in das Königreich Bayern eingegliedert und umbenannt in „Südbayern“. Hohe Steuern, kirchenfeindliche Verfügungen und Zwangsrekrutierungen trafen die Tiroler schwer.

Kampf für Freiheit

Der allgemeine Unmut der Tiroler über die bayrische Herrschaft führte schließlich dazu, dass der Gastwirt und Viehhändler Andreas Hofer aus dem Passeiertal zum Kampf für die Freiheit aufrief. Die bayerisch-französischen Truppen wurden im Zuge dieses Kampfes im Jahr 1809 mehrfach geschlagen und die Landeshauptstadt Innsbruck befreit. In drei Schlachten am Bergisel kämpften die Tiroler erfolgreich gegen die Eindringlinge. Da Österreich jedoch auf den großen Kriegsschauplätzen geschlagen wurde, musste es im Oktober 1809 im Frieden von Schönbrunn wiederum auf Tirol verzichten. Daraufhin wurde Andreas Hofer am 20. Februar 1810 in Mantua nach einem Scheinprozess hingerichtet. 

Die Jahre zwischen den Tiroler Freiheitskämpfen und dem Ersten Weltkrieg waren geprägt von vielen gesellschaftlichen Veränderungen. Die technischen Errungenschaften des 18. und 19. Jahrhunderts wirkten sich auf das Wirtschaftsleben aus und im Revolutionsjahr 1848 machten sich die politischen Strömungen des Liberalismus und des Nationalismus besonders bemerkbar. Danach gab es jahrzehntelang einen Kulturkampf zwischen Konservativen und Liberalen.

Der Erste Weltkrieg stellt für Tirol ein einschneidendes Ereignis dar. Auf die Schrecken des Krieges folgte nach Kriegsende 1918 die größte Veränderung: Der Friedensvertrag von Saint Germain brachte die Teilung Tirols.